In diesem Beitrag werden wir uns die Geburt eines Babys detailliert ansehen. Wir werden betrachten in welcher Phase der Geburt sich das Baby wie genau einstellt. Darüber hinaus wird erklärt welche Dysfunktionsmuster in Hinsicht auf das Craniosacrale System hier jeweils resultieren können.
Auf Grund der fachlichen Komplexität ist dieser Beitrag eher an Studenten der Osteopathie bzw. Osteopathen die bereits mit Säuglingen arbeiten gerichtet.
Der Kopf ist in 96 % aller Geburten das führende Körperteil. Aus diesem Grund muss sich der kindliche Schädel optimal dem knöchernen Becken und auch dem muskulären Geburtskanal anpassen. Dafür besitzt er eine spezifische Anatomie.
Betrachten wir zunächst einmal den kindlichen Schädel zur Zeit der Geburt etwas genauer:
- Die Entwicklung des kindlichen Schädels, Wachstumsdynamiken und die Dura.
Embryonales Bindegewebe wird als Mesenchym bezeichnet, was auf seinen mesodermalen Ursprung hinweist. Unter dem Einfluss von Zugkräften bildet es Membranen, bei Kompression entwickelt es sich zu Knorpel.
Die Schädelbasis entsteht aus Mesenchym, welches sich als Reaktion auf Druck um die Chorda dorsalis herum verdichtet hat. Sobald die mesenchymale Struktur zwischen dem wachsenden Gehirn und dem sich entwickelnden Herzen komprimiert wird, wird diese zu Knorpelgewebe. Anschließend verknöchert Sie. Dies nennt man chondrale Ossifikation. Die Knochen an der Schädelbasis sind embryologisch also durch Kompression entstanden. Beim Druckkräften der Geburt neigen diese Knochen eher dazu in der Kompression zu verharren und man findet diese Muster später wieder.
Das Schädeldach hingegen verknöchert direkt innerhalb der Membranen. Diese bilden sich wenn das oben genannte Mesenchym gedehnt wird. Die Schädeldachknochen sind embryologisch durch Ausdehnung entstanden und sind eher vorgesehen sich unter der Geburt stark zu verschieben. Sie können sich später wieder relativ rasch durch Ausdehnung in ihre ursprüngliche Form zurückfinden.
Intraossäre Dysfunktionsmuster
Für intraossäre Dysfunktionen sind vor allem Knochen anfällig, die bei der Geburt aus mehreren Teilen bestehen. Hierbei sind vor allem das Os Occipitale, Os Sphenoidale und das Os Temporale zu nennen. Durch den Geburtsprozess kommt es häufig vor, das unphysiologische Kompressions-und Torsionsmuster entstehen. Ein sehr wichtiger Bestandteil bei der Arbeit mit intraossären Dysfunktionen ist das sich einstimmen auf die Flüssigkeitsebene. Wir arbeiten indem wir dem Knochen und der Flüssigkeit „Raum“ und Vorschläge einer Korrektur anbieten. In ständiger Verbundenheit und Dialog mit der entsprechenden Struktur ohne dieser den nötigen Raum zu nehmen oder einer Selbstkorrektur „im Weg zu stehen“.
Die oben genannten Schädelknochen einzeln betrachtet:
Das Os Occipitale
Das sogenannte Hinterhauptsbein besteht zum Zeitpunkt der Geburt aus vier Teilen- der Squama occipitales, den beiden Pars Condylares und der Pars Basilaris. Diese folgenden Dysfunktionsmuster sind häufig am Os Occipitale zu finden:
- Kompression der Squama im Verhältnis zu den Partes condylares
- Posterior-anteriore Kompression des Os Occipitalein Richtung Sphenobasilargelenk
- Kompression der Partes Condylares nach medial
Das Os Sphenoidale
Das Os Sphenoidale (Keilbein) besteht bei der Geburt aus drei Teilen. Die zwei Alae majores mit den Procc. Pterygoidei sind jeweils durch eine Knorpelzone mit dem Corpus und den Alae minores verbunden. Beim Keilbein können alle möglichen Arten von Dysfunktionsmustern auftreten:
- Torsion der seitlichen Sphenoidteile in Bezug zum Corpus
- Vertikale Verschiebung
- Kompression der seitlichen Teile
Das Os Temporale
Zur Zeit der Geburt besteht das Os Temporale aus zwei Teilen, dem Pars Squamose und dem Pars Petrosa. Die Pars Tympanica verbindet sich mit den anderen Teilen schon im siebten SS Monat. Nichts desto trotz kann auch Sie eine intraossäre Dysfunktion aufweisen.
Nach der Geburt sind dünne Knocheninseln innerhalb der Sie umgebenden Membranen (nun als Periost) sichtbar und tastbar. Zwischen diesen Knocheninseln sind freie durale Anteile sehr offensichtlich–> Fontanellen. Alle Knochenanteile schwimmen auf der Sie verbindenden und zusammenhaltenden Dura. Diese bildet auch einen enormen Schutz bei der Geburt: Stichwort Duraler Gürtel.
Vor allem das ventrale Durale Band (Septum transversum ant.) ist zum Zeitpunkt der Geburt acht mal stärker als das Tentorium.
Gerade Sutherland arbeitete viel mit der Dura. Eine seiner Aussagen war: „Man muss die Membranen benutzen um diese kleinen Knochen wieder in ihre normale Position zu bringen..“
Phasen der Geburt und der jeweilige Impact auf das Cranio-Sacrale System des Kindes:
Das Kind muss auf seinem Weg durch das mütterliche Becken mit seinem Kopf vom querovalen Beckeneingang eine Drehung um 90 Grad ausführen, um zum längsovalen Beckenausgang zu gelangen. Ebenso muss die Schulterbreite den unterschiedlichen Beckenformen folgen. Deshalb muss sich auch der bereits geborene Kopf wiederrum um 90 Grad drehen, damit die Schultern||| geboren werden können.
Wir orientieren uns hier am Model von Franklyn Sills, welcher die Geburt in viel Phasen einteilt.
Die erste Phase betrachtet alle Dynamiken bim Beckeneingang, die zweite Phase alle in der Beckenmitte, die dritte Phase entspricht allen Bewegungen und Einflüssen des Beckenausgangs, in der vierten Phase ist die eigentliche Geburt des Körpers, Nabelschnur und dem Prozess des Bondings inbegriffen.
Wir beschreiben hier die häufigste Geburtslage, also die vHHL, das Kind hat mit seiner linken Seite Kontakt mit dem mütterlichen Promontorium.
erste Phase: Beckeneingangsdynamiken
Bewegung:
Die Wehen beginnen, das Kind bewegt sich zum Beckeneingang. Je nach der Einstellung des Kindes ist das rechte oder linke Parietale führend und etwas tiefer. Das andere schiebt sich jeweils darüber. Das Köpfchen geht in starke Flexion um den Durchmesser zu verkleinern, das Hinterhaupt ist führend. Der okzipitoatlantale Bereich muss besonders geschützt werden, weshalb er strukturell als Kegel innerhalb eines anderen Kegels angeordnet ist. Je nach Position der Mutter hat der führende Teil mehr Kontakt mit dem Schambeinbogen oder dem Promontorium. Im Falle der vHHL ist die linke Schädelseite in starkem Kontakt mit dem mütterlichen Promontorium und dreht um dieses herum.
Einfluß auf den Schädel und den Körper in dieser Phase:
- Diagonale und schräg einwirkende Kraft auf den Schädel
- Druck auf das linke Parietale/Temporale
- Occiput/Atlas Kompression auf der linken Seite
- Occiput-mastoid Kompression links
- Foramen jugulare links
Bewegung:
Je nach Position der Mutter hat der führende Teil mehr Kontakt mit dem Schambeinbogen oder dem Promontorium. Im Falle der vHHL ist die linke Schädelseite in starkem Kontakt mit dem mütterlichen Promontorium und dreht um dieses herum.
Einfluß auf den Schädel und den Körper in dieser Phase:
- Mediale Kompression des linken temporale und der linken Schädelbasis
- Intraossäre Verdrehung des Sphenoids und des Temporale
- Sidebending rechts
- Torsion rechts
- lateraler Strain rechts
- TMJ Kompression links
Bewegung:
Das Kind tritt tiefer in die Beckenmitte
Einfluß auf den Schädel und den Körper in dieser Phase:
- Extensionsmuster
- mediale Kompression der Schädelbasis
- Überlappen der Schädelnähte, vor allem in der Sagitalnaht
Bewegung:
Während der Eröffnungsphase kommt es aufgrund der Kontraktionen des Uterus zu einer starken longitudinalen Kompression der longitudinalen Achse des Kindes.
Einfluß auf den Schädel und den Körper in dieser Phase:
- Kompression des Körpers auf der linken Seite
- Durale und spinale Kompression
- Kürzeres linkes Bein
- Torsion des Sacrums
Bewegung:
Kreuzbein linke Seite, Basis rotiert nach hinten und Kreuzbein/Steissbein nach inferior.
Vor allem auf der Seite der Geburtslage kommt es in der ersten Phase der Geburt zu einer axialen Kompression. Liegt das Kind mit dem Rücken links wird vor allem seine linke Seite stärker gestaucht. Das kann man dem Neugeborenen auch ansehen, da Sie sich häufig auf dieser Seite zusammenziehen und auch ihr Bein auf dieser Seite verkrampfter hochziehen. Die Schulter ist dort tiefer und ein nach hinten gekippter Beckenknochen kommt häufig dazu.
zweite Phase: Das Tiefertreten in der Beckenmitte
Bewegung:
Das Kind dreht seinen Kopf in der Beckenmitte mit dem Gesicht zum Kreuzbein der Mutter um in die richtige Achse für den Beckenaustritt zu kommen.
Einfluß auf den Schädel und den Körper in dieser Phase:
- Rotationsmuster im ganzen Schädel und auch den Membranen, vor allem rechts
- Schädelbasismuster werden verstärkt
- Torsionsmuster betreffen Spheniod-Maxilla
- Verdrehung der Maxilla und des Vomers in Bezug zum Spheniod
- Torsionsmuster um das Foramen magnum und den Condylen
Bewegung:
Verdrehende Kräfte von den Kontraktionen wirken auf den ganzen Körper
Einfluß auf den Schädel und den Körper in dieser Phase:
- Durale Verdrehungen
- Cervicale Kompression, Rotation und Sidebending
- Beckenverdrehung
- Wirbelsäulenverdrehung
- Verdrehung des Zwerchfells
- ganzer Körper wird verdreht
dritte Phase: Beckenaustrittsdynamiken:
Bewegung:
Das Kind tritt tiefer in das Becken, der Kopf ist immer noch stark in Flexion
Einfluß auf den Schädel und den Körper in dieser Phase:
- Flexionsmuster
- Kompression der SSB
Bewegung:
Das Gesicht des Kindes ist in Kontakt mit dem Kreuzbein/Steißbein. Das Hinterhauptsbein hat Kontakt mit der Symphyse, wo es ein Fulcrum bildet. Der Kopf tritt auf den Beckenboden und Presswehen werden ausgelöst.
Einfluß auf den Schädel und den Körper in dieser Phase:
- Kompression des Occiput und der Falx
- Anterior-Posterior Kompression des Schädels
- Kompression des Ethmoids
- Vomer-Sphenoid Kompression
- Vomer-Maxilla Komression
Bewegung:
Das Hinterhaupt stemmt sich an der Symphyse ab und das Kind macht eine Deflexionsbewegung des Kopfes
Einfluß auf den Schädel und den Körper in dieser Phase:
- Flexion oder Extensionsmuster
- Kompression Schädelbasis und Occiput
- Kompression des Foramen jugulare mit den darin verlaufenden Strukturen
- Intraossäre Dysfunktion des Occiput, Teleskopartiges Zusammenschieben von Squama, Condylen, Pars basilaris (N. hypoglossus XII verläuft unter den Condylen. Er ist der motorische Nerv der Zunge und es könnten Probleme beim Saugen entstehen)
- C1 und alle cervicale Strukturen
- Foramen magnum wird verkleinert oder asymetrisch komprimiert. Störungen der Medulla und den Pyramidenbahnen, Ansätze der suboccipitalen Muskulatur werden beeinflusst. Dies kann auch Ursache eines Tortikollis und Skoliosen sein.
- Atlas-Occiput, C0/C1/C2 Kompression
- Kontinuierlicher Druck auf den ganzen Körper, vor allem jetzt Occiput-Atlas und Axis
- Sacroiliacale und Lubosacrale Kompression und Torsion des Sacrums mit den Illiiä
- Kompression im Diaphragma, der Dura und den Rippen.
vierte Phase: Geburt und die Zeit danach:
Bewegung:
Geburt des Kopfes durch das Becken und den muskulären Anteil des Beckens
Einfluß auf den Schädel und den Körper in dieser Phase:
- Zuerst nochmals starke Kompressionskräfte, dann Schädelausdehnung
- mögliche Schockzeichen in Dura und Flüssigkeiten
Bewegung:
Drehung der Schultern und danach des ganzen Körpers
Einfluß auf den Schädel und den Körper in dieser Phase:
- Wieder Torsionskräfte, auch an der Dura
- Cervicale Strains
Bewegung:
Geburt der Schultern und danach des ganzen Körpers
Einfluß auf den Schädel und den Körper in dieser Phase:
- Verdrehungen in den Schultern
- Schlüsselbein beeinträchtigt
Der erste Atemzug beginnt die atlantooccipitale und kraniale Kompression von innen aufzulösen. Dadurch wird auch das Tentorium und das Cerebellum afgehoben und so bekommen Stammhirn und vierter Ventrikel mehr Raum. Am Boden des vierten Ventrikels liegen physiologisch wichtige Zentren wie zum Beispiel das Atem-und Kreislaufzentrum. In der Folge reorganisieren sich die membranösen Hirnhäute und der Liquor hilft die Schädelknochen zu repositionieren. Wenn das Neugeborene saugt, strampelt oder schreit unterstützt dies ebenfalls diesen Entfaltungsprozess.
Bonding
Unter Bonding verstehen wir die Zeit der Bindung von Mutter und Kind nach der Geburt. Mutter und Kind brauchen Zeit und Raum für ihre neue Beziehung von innen nach außen zu festigen. Vor allem die erste Stunde nach der Geburt ist für ein erfolgreiches Bonding sehr wichtig und hilft manche Traumatisierung unter der Geburt zu lösen.
In dieser Zeit gehört das Kind uneingeschränkt zu der Mutter ohne störende Einflüsse von aussen.
Wiegen, messen, etc. kann alles warten. Auch eventuell nötige Maßnahmen wie Sauerstoffgabe oder Reanimation sind wirkungsvoller bei der Miutter in der Nähe.
Die Nabelschnur sollte so lange pulsieren, wie es das Kind braucht bis es sich an die Welt an der Luft gewöhnt hat. Man erlebt es immer wieder, wenn es einem Kind nicht so gut geht, dass die Nabelschnur länger pulsiert und das Kind damit doppelt versorgt wird. Somit ist es wichtig die Nabelschnur ganz auspulsieren zu lassen. Ein gesundes Kind kann später besser seinem Impuls folgen und sich von alleine auf die Brust der Mutter bewegen, wo es kurz darauf sagen wird.
Ausserdem wichtig für ein natürliches Bonding sind die Hormone Oxytocin (im Hypothalamus gebildet und im Hypophysenhinterlappen gespeichert) welches während der Wehen ausgeschüttet wird. Darüber hinaus auch Prolaktin das beim Stillen produziert wird und das Bindungshormon genannt wird. Durch diese Hormone wird die Bindungsphase noch zusätzlich unterstützt.
Wichtig ist auch die folgende Zeit des Bondings, der erste Monat und fast dasganze erste Jahr in eine prägende Zeit in der natürlichen Entwicklung des Kindes, wo eine gesunde Entfaltung seines autonomen Nervensystems möglich ist.